Seymour oder ich bin nur aus Versehen hier

Leo, Heidi, Oskar, Robert und Max müssen abspecken. Ihre Eltern haben sie für viel Geld in die Obhut von Dr. Bärfuss gegeben, der in den Bergen hoch über der Baumgrenze ein renommiertes Kurhaus betreibt. Tagsüber übt sich die adipöse Jugend bei Liege­ und Sonnenkuren streng in der vom Klinikchef vorgegebenen Disziplin, nachts kommt es zum – ebenfalls geplanten – Schokoladen­ und Kuchenexzess. Als Vorbild und Motivation haben die fünf den dünnen Sebastian vor Augen, der allerdings seltsam regungslos auf der Gemeinschaftscouch der Station liegt. In der Abgeschiedenheit und Untätigkeit des Klinikalltags wünschen sich die jungen Kurgäste bald zu ihren Familien ins Tal zurück, sehnen sich sogar nach der Schule. Da aber die Patienten trotz aller Mühsal nicht an Gewicht verlieren und auch die erlösende Generaluntersuchung durch Dr. Bärfuss auf sich warten lässt, ist an ein Ende des Martyriums nicht zu denken. In Leos Kinderzimmer daheim wohnt ohnehin bereits – bis zu seiner Entlassung, so lautet die Abmachung – sein schlanker Cousin Seymour aus England. Kleingeld, um seine Eltern anzurufen, hat Leo schon lange nicht mehr, und als dann Max’ Mutter plötzlich aufhört, ihrem Sohn Kuchen zu schicken, bekommen es die jungen Patienten langsam mit der Angst.

Zwischen «Frühlingserwachen», «Der Zauberberg» und «Warten auf Godot» pendelnd, hat Anne Lepper mit «Seymour» eine düster­groteske Parabel auf den postmodernen Optimierungswahn des Menschen und die permanente Angst, nicht zu genügen, geschrieben. Die Autorin dieses böse­melan cholischen Werkes gehört zu den profiliertesten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik. Jahrgang 1978, absolvierte sie nach ihrem Geschichts­ und Literaturstudium am Literaturinstitut in Biel ein Masterstudium in Literarischem Schreiben. «Seymour» entstand 2011 als Werkauftrag für den Stückemarkt des Berliner Theatertreffen.