Das Bekenntnis eines Masochisten

Kultur - Theater

Herr M. ist ein ganz normaler Mann. Er arbeitet als Grafiker in einer Werbeagentur. Darüber hinaus ist Herr M. bekennender Masochist. Seitdem die süsse Janinka, seine erste Liebe, ihm ordentlich den Hintern versohlt hat, ist er dieser Abart der Sexualität verfallen. Leider aber lebt er in einem so dermassen öde vorsichtigen Land, in dem selbst Dominas ihre Kunden Fragebögen ausfüllen lassen, um Sicherheitsrisiken zu minimieren.

Herr M. macht sich auf die Suche nach stärkeren Kicks. Doch weder bringt die Teilnahme an einer Demonstration von Linksextremen beim Internationalen Währungsfonds die ersehnte Prügelei, noch der Besuch eines Skinhead-Konzerts in der Verkleidung eines dunkelhäutigen Ausländers. Glücklicherweise entdeckt Herr M. schliesslich, dass das Arbeitsleben eine Quelle herrlicher Demütigungen
sein kann. Fortan findet er vollumfängliche Befriedigung durch Gehaltskürzungen, unbezahlte Überstunden, Urlaubsverzicht, fehlende Sozialleistungen. Noch besser aber wird es, als er seine Stelle in der Werbeagentur verliert, als Putzmann in einem Kaufhaus anheuert und mit fünf teilweise illegalen Teilzeitstellen knapp überleben kann. Der Höhepunkt seines Lebens als Arbeitssklave ist die Teilnahme an der «Human – Resources – Olympiade», bei der er mit seinem Bedürfnis sich ausbeuten zu lassen selbst gegen die Chinesen gewinnt. – Niemand schuftet ausdauernder und aufopferungsvoller als die Bewohner eines kleinen Landes in Europa, die in der Lage sind, aus Schmerz Lustgewinn zu ziehen.

«Safe, sane and consensual»: So lautet die Regel für sadomasochistische Verhältnisse. Und sicher, vernünftig und freiwillig sind auch die Arbeitsverhältnisse, denen wir uns unterwerfen. Der tschechische Autor Roman Sikora hat eine grelle, nachdenklich machende Farce über das pervertierte Verhältnis des Mitteleuropäers zu seiner Arbeit geschrieben, die den Nagel auf den Kopf trifft.

„Aus der tschechischen SM-Szene in den globalisierten Arbeitsmarkt; Diesen Bogen schlägt das Stück ‚Das Bekenntnis eines Masochisten‘ von Roman Sikora. Die deutschsprachige Erstaufführung am Konzert Theater Bern wurde frenetisch gefeiert.“ Serge Kuhn, sda, 5. Mai 2013

«Jeder ist jeder in der Quartettformation aus zwei Männern und zwei Frauen. Was diese an körperlicher Agilität und sprecherischer Präsenz leisten, ist stupend und erreicht im Finale, das als Konzert arrangiert wird, mitreissende Intensität.» Beatrice Eichmann-Leutenegger, NZZ, 7. Mai 2013

«Am Aufsteigen jedoch ist Herr M. nicht interessiert. Im Gegenteil: Sein Gehalt sei doch zu hoch, beanstandet er beim Chef, worauf dieser «strahlte und kürzte». Glückselig lassen sich die Angestellten als Arbeitspferde an die endlos dehnbaren Gummiband-Zügel nehmen. Berauscht handeln sie ihren Jahreslohn ins Bodenlose herunter, und unter herrlichem Kreativdruck zappelt Herr M., dessen Rolle man sich nun abwechselnd teilt, an viel zu kurzer Leine. In die Knie gezwungen und durch die Bühnenkonstruktion daran gehindert, sich aufzurichten, hängen die vier Workaholics wie Schatten ihrer selbst über dem Abgrund. Erschöpfung und Befriedigung liegt hier so nahe beieinander. Auf irrsinnige Weise ist das erschreckend glaubwürdig.» Lena Rittmeyer, Der Bund, 07. Mai 2013

„Getragen vom gross aufspielenden Ensemble und der ideenreichen Regie von Dominic Friedel nimmt das Stück Fahrt auf. (…) Der Inszenierung gelingt es, die Wirkung von Roman Sikoras ebenso prägnanten wie vieldeutigen Wortspielen zu verstärken. (…) Fesselndes Theater, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt.“ Basil Weingartner, BKA, 16. Mai 2013