Altes Testament – Aus dem Tagebuch der Menschheit

Die Bibel ist eines der bekanntesten Bücher der Welt und eine der Säulen unserer abendländischen Kultur. Die Ausgaben der „Heiligen Schrift“ erreichen weltweit jährlich eine Auflage von ungefähr 20 Millionen Stück. Übersetzt wurde das „Buch der Bücher“ in rekordverdächtige 2303 Sprachen. Dennoch nimmt das Bibelwissen hierzulande ab, immer weniger Menschen kennen die Figuren und Geschichten. Dabei waren die Texte der Bibel jahrhundertelang eine der wesentlichen Inspirationsquellen für Kunst, Literatur und Musik.

Das Alte Testament entstand aus einem jahrhundertelang erst mündlich überlieferten, später schriftlich fixierten tiefen Menschheitswissen heraus. Die Geschichten im Alten Testament – von der Schöpfungsgeschichte über die Sintflut, Kain und Abel, den Turmbau zu Babel, Josef in Ägypten bis hin zu Moses, der Gott im brennenden Dornbusch erkannte, die zehn Gebote empfing, und viele mehr – beschwören in mächtigen Bildern eine grausame, chaotische, undurchschaubare Welt und Natur, der der Mensch immer wieder Würde und Zivilisation abzutrotzen versucht.


Bilder von uns

Österreichische Erstaufführung

Thomas Melle

Als Jesko ein anonym verschicktes Foto eines nackten Jungen auf seinem Smartphone erblickt, baut er vor Schreck fast einen Autounfall und kracht beinahe in eine Schulklasse. Der Grund für seine heftige Reaktion: Er selbst ist dieser Junge. Das Bild bringt einen Erinnerungsprozess in Gang, der nicht mehr aufhört. Denn hinter der Geschichte dieses Bildes schlummern totgeschwiegene Geheimnisse, ganz besonders verdrängte Erinnerungen an die pädophilen Obsessionen seines Lehrers Pater Stein. Wer versucht ihn nun, ein Jahrzehnt später, nachdem er sich ein erfolgreiches Berufs- und Familienleben aufgebaut hat, mit Hilfe dieses Bildes zu erpressen? Paranoid, aber vorsichtig, sucht er seine drei ehemaligen Schulkollegen Malte, Johannes und Konstantin auf, die ebenfalls „Lieblingskinder“ von Pater Stein waren und deren Leben in ganz unterschiedlichen Bahnen verliefen. Wie in einem Kriminalfall werden die Spuren der einzelnen Lebensgeschichten zurück in die Vergangenheit verfolgt und das Geschehene aus verschiedenen Perspektiven untersucht. Das Stück handelt weniger von Missbrauch an sich, als vom Umgang damit. Am Beispiel von vier Männern, die eine differenzierte Bandbreite von „Opfergeschichten“ aufweisen, zeigt Thomas Melle, wie jemand zum Opfer gemacht wird, sich als Opfer fühlt, wie sich der Opferstatus medial ausschlachten lässt und wie schwierig es ist, darüber zu sprechen. In komplizierten Problemlagen ist die Wahrheit nicht einfach zu finden, sondern entfaltet sich nur anhand einer Vielzahl von Perspektiven.


Nathan der Weise

„Nathan der Weise“, das ist die Ring-Parabel. Diese macht aber nur einen winzigen Teil des Klassikers aus, der ein großes Gedankendrama ist, ein orientalisches Märchen und eine klassische Soap-Opera: Nathan ist ein reicher jüdischer Kaufmann, der von einer Geschäftsreise zurückkehrt und feststellt, dass seine geliebte Tochter beinahe bei einem Feuer ums Leben gekommen wäre, wenn nicht ein christlicher Ritter sie gerettet hätte. Zwischen dem (vermeintlich) jüdischen Mädchen und dem jungen Christen keimt eine problematische Liebe auf, die noch problematischer wird, als sich herausstellt, dass beide Geschwister sind. Damit verschlungen ist ein zweiter Handlungsstrang, der den weisen Nathan an den Hof des nicht minder klugen Sultans führt, der Geldsorgen hat und die Freundschaft und Hilfe Nathans erbittet und erhält.

„Nathan der Weise“ spielt in der von allen drei großen monotheistischen Religionen als heilig verehrten Stadt Jerusalem. Das Stück plädiert für eine „von Vorurteilen freie Liebe“, in der Christentum, Judentum und Islam gleichwertig sind, und entwirft die humanistische Vision einer grundsätzlichen Verwandtschaft aller Menschen. 1778 / 79 litt Lessing unter einem Publikationsverbot für Religiöses. Eingebracht hatte dieses dem Pfarrerssohn und studierten Theologen eine Kontroverse zwischen Aufklärung und orthodoxer lutherischer Theologie, ausgetragen mit einem christlichen Fanatiker, dem Hamburger Hauptpastor Goeze. In einer schlaflosen Nacht fand der Dramatiker bei dem Renaissancedichter Giovanni Boccaccio im „Decamerone“ die Vorlage des „Nathan“ und fragte sich, ob man ihn „auf seiner alten Kanzel, dem Theater, wenigstens noch ungestört will predigen lassen“. Im „Nathan“ schafft er vor dem historischen Hintergrund der Kreuzzüge des Mittelalters, als christliche Ritter gewaltsam den Orient zu erobern und zu christianisieren versuchten, ein breit ausgemaltes Panorama, das für Toleranz und Brüderlichkeit plädiert. Als großer Aufklärer vertrat Lessing die Position, dass der Glaube Privatsache sei. Eine Position, die heute wieder infrage steht, wo Religion zunehmend politisch missbraucht wird und unhinterfragte Zuschreibungen Klischees und Vorurteile produzieren. Die junge britische Regisseurin Lily Sykes, die in der Spielzeit 2016 .2017 Shakespeares „Romeo und Julia“ inszenierte, widmet sich in dieser Saison einem nicht minder bekannten, diesmal deutschen Klassiker.